Digitalisierung - ersetzt der Computer bald schon den Kfz-Sachverständigen

Man geht von der These aus, dass ein Großteil der Schäden einfach gelagerte reine Blechschäden seien, die auch ohne Besichtigung digital ermittelt werden können. Bereits diese These ist unzutreffend. Die Verknüpfung reiner Blechschäden mit Beschädigungen der Fahrzeugelektronik nimmt gerade bei neueren Fahrzeugen dramatisch zu. Selbst ein Unternehmen wie Audatex als großer Datenlieferant ist aus nachvollziehbaren Gründen eine Kooperation mit Bosch eingegangen, um künftig den Sachverständigen eine integrierte Fehlerspeicherauslese anbieten zu können.  Selbst scheinbar einfach gelagerte Blechschäden entwickeln sich zu hochkomplexen Schäden, ohne dass eine derartige Entwicklung auch nur ansatzweise erkennbar gewesen wäre.

Natürlich kann nicht in Abrede gestellt werden, dass eine intelligent programmierte Software in der Lage ist, ein Kalkulationsergebnis zu produzieren. Das Ergebnis dieser Kalkulation ist jedoch entscheidend davon abhängig, wer die Programmierung zu welchem Zweck vorgenommen hat. Nicht die künstliche Intelligenz im Rahmen des Lichtbildabgleiches ist überzeugend, sondern vielmehr überzeugt die Programmierintelligenz, die dazu führt, dass die Ziele des Auftraggebers umgesetzt werden.

Gerade das Beispiel der Schadenfeststellung in Österreich ist hier bezeichnend. Bereits seit Jahrzehnten sind Kfz-Sachverständige hier im Wesentlichen tätig als verlängerter Arm der Versicherungswirtschaft mit der Folge eines Glaubwürdigkeitsverlustes, der  es naturgemäß leichter macht, wenig glaubwürdige Sachverständige durch auf den ersten Blick transparente Computer zu ersetzen. In Verbindung mit dem Lockangebot der Zahlung des schnellen Geldes muss in einem Land, in dem es unabhängige Sachverständige schon lange nicht mehr gibt, ein derartiges Model grundsätzlich positiver gesehen werden.

Die Begründung des Models ist im Übrigen an Arroganz nicht zu überbieten. Die höchstpersönliche Inaugenscheinnahme des streitgegenständlichen Objektes gehört zu den ehernen Pflichten eines Sachverständigen. Aufgrund der höchstpersönlichen Besichtigung kann der Sachverständige weitestgehend ausschließen, dass Manipulationen stattgefunden haben, vor allen Dingen aber kann er verstandesbedingte Rückschlüsse ziehen, die mit Sicherheit nicht programmierbar sind.

Ein anderes Phänomen müsste dem Verfasser des Beitrages zu denken geben. Trotz der zunehmenden Elektronik in Kraftfahrzeugen nimmt die Zahl der Verkehrsunfälle seit 2 Jahren zu, ohne dass man heute weiß, ob es sich um Fehler des Menschen oder um Fehler der Elektronik handeln würde. Nach einem Verkehrsunfall benötigt der Geschädigte unabhängige Unterstützung. Diese kann nur gewährt werden durch einen Sachverständigen, der frei von Weisungen Dritter einen technischen Sachverhalt objektiv erstellt.

Solange eine Software eingesetzt wird, die die Vorgaben und Weisungen der regulierungspflichtigen Versicherer beachtet, wird der digitalisierte Sachverständige kein Ersatz sein für tatsächlichen Sachverstand.

 

 

 

 

 

 

 

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