Geschäftemacherei auf der Dieselwelle

Die Kanzlei des Verfassers vertritt in dutzenden Verfahren Händler des Volkswagen-Konzerns, die sich einer abenteuerlichen Klagewelle stellen müssen.

Ein Großteil der Geschädigten wird von einigen wenigen Anwaltskanzleien vertreten, die sich noch nicht einmal zu schade sind, den Ruf der unabhängigen Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege durch die Besetzung von Internetseiten (wie beispielsweise www.vw-schaden.de) nachhaltig zu beschädigen.

Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, dass unser Rechtssystem amerikanisiert werden soll, wenn selbst der ehemalige Bundesinnenminister Baum trotz seines hohen Alters droht, dass tausende Klagen gegen VW und ihre Händler eingereicht werden.

Noch unglaubwürdiger wird das Werbespektakel, wenn sich solche Anwaltskanzleien großspurig als Verbraucherkanzleien bezeichnen lassen, die ausschließlich dem Schutz des armen Autofahrers und dem Schutz der Umwelt verpflichtet sind.

Mit einer selten unter 100 Seiten aufgebauschten Klage aus lauter Textkonserven wird öffentlichkeitswirksam versucht, zu suggerieren, dass der arme Käufer von Produkten des Volkswagen-Konzerns arglistig getäuscht wurde und nun mit einem Fahrzeug fahren muss, das mangelhaft ist und darüber hinaus die Umwelt verpestet.

Man ist überrascht, dass nun nahezu alle Käufer dieser Fahrzeuge schon seit 2011 diese Fahrzeuge nur deshalb gekauft hätten, weil man ein grünes Gewissen hat und die Umwelt entlasten wollte. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit und Realismus wäre hier angemessen, denn natürlich war für die Käufer entscheidend, dass die hochmodernen Fahrzeuge mit effizienten Dieselmotoren trotz hoher Leistung Verbräuche erzielen, die einem Kleinwagen entsprechen.

Jedem Käufer ist bis heute klar, dass Prospektangaben zu Verbrauch und Schadstoff sich auf den Prüfstandmodus beziehen und natürlich im praktischen Fahrbetrieb je nach Fahrweise, Witterung, Alter des Fahrzeuges etc. diese Werte nicht erreicht werden können.

Es ist schon unlauter, jetzt so zu tun, als sei die Tatsache, dass Prospektangaben von Werten im praktischen Fahrbetrieb abweichen, unzulässig.

Offenbar wird den meisten Verbrauchern schlichtweg verschwiegen, dass nicht die Werte im praktischen Fahrbetrieb maßgebend sind, sondern rechtlich relevant ist, ob der gewählte Weg, der zur Einhaltung der Prüfstandvorschriften geführt hat, zulässig war oder nicht. Bis heute gibt es keine rechtskräftige Entscheidung, die besagt, dass die verbaute Prüfstandsoftware überhaupt in Deutschland unzulässig war.

In jedem Fall aber dürfte jeder Verbraucher wissen, dass die Nutzung seines Fahrzeugs vertragsgemäß möglich ist und jeder VW-Kunde weiß, dass durch eine Maßnahme, die mit einer staatlichen Behörde – dem Kraftfahrt-Bundesamt – abgestimmt wurde, die Konformität seines Fahrzeugs unter Prüfstandbedingungen sichergestellt wird.

In unsäglicher Weise wird zudem das amerikanische Rechtssystem mit unserem deutschen Rechtssystem vermischt. Abläufe, die in den vereinigten Staaten als rechtswidrig eingestuft werden, sind damit nicht automatisch in Europa rechtswidrig.

All dies spielt für diese sogenannten Verbraucherkanzleien offenbar keine Rolle. Man gewinnt vielmehr den Eindruck, dass man sich kurz vor Ablauf der Verjährung am 31.12.2017 noch ein gehöriges Stück des Kuchens genehmigen will. Besonders beliebt sind die Kunden mit Rechtsschutzversicherung, da hier ja aus anwaltlicher Sicht der Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend ist.

Nach amerikanischer Manier wird überdies damit geworben, dass man sogar kostenfrei Ansprüche prüft und geltend macht und nur im Falle des gewonnenen Prozesses ein Teil des Schadenersatzes bei der Firma myRight bleibt.

Auch Anwaltskanzleien, die natürlich dem Recht verpflichtet sind, haben eine gesamtpolitische Verantwortung. Verklagt werden nahezu ausschließlich zuerst einmal die Händler, die das Auto verkauft haben. Der Händler hatte genauso wenig Kenntnis von der Thematik wie der Verbraucher selbst, wird aber nun in Anspruch genommen und zu allem Überfluss wird ihm nun noch unterstellt, er habe arglistig gehandelt, weil er sich das Verhalten des Konzerns zurechnen lassen müsse.

Großspurig fordert man im Übrigen auch in Teilen der Politik eine Gleichstellung der deutschen Autofahrer mit den amerikanischen VW-Käufern.

Wer eine solche Forderung aufstellt, sollte dann auch darauf hinweisen, dass der Volkswagen-Konzern nicht mehr existieren würde, wenn sich das amerikanische Rechtssystem auf Deutschland übertragen lassen würde.

Eine Million Arbeitsplätze wären in Gefahr und der technische Fortschritt, der gerade durch die deutsche Automobilindustrie dokumentiert wird, wäre dauerhaft verspielt.

Das batteriebetriebene Fahrzeug mit einer Batterieproduktion, die die Umwelt mit Füßen tritt, mit einem Stromverbrauch, der selten aus erneuerbaren Energien stammt, wird global die Umwelt massiv schädigen, während wir in Deutschland darauf hoffen, nicht nach 100 km ohne Ladestation liegen zu bleiben.

Notwendige und mögliche Investitionen in eine noch saubere Dieseltechnologie und Benzintechnologie werden auf der Strecke bleiben.

Nur die Tatsache, dass in vielen Fällen ein Vergleich abgeschlossen wird, zum Anlass zu nehmen, zu massenhaften Klagen aufzufordern, ist bemerkenswert. Natürlich hat jeder Händler ein Interesse daran, nicht über drei Instanzen Rechtsstreitigkeiten zu führen. Natürlich freut sich ein Händler, wenn ein Rechtsstreit mit einem Kunden für beide Seiten vertretbar erledigt wird, und natürlich gibt es Vergleiche, die auch aus taktischen Gründen abgeschlossen werden.

Bevor ein derartiger Vergleich abgeschlossen wird, muss der Händler dies natürlich mit dem Hersteller abstimmen, aber aus der Tatsache, dass überhaupt Vergleiche geschlossen werden, zu schließen, dass nun die Massenklage richtig sei, ist schlichtweg Unsinn.

Zur Ehrlichkeit würde es beitragen, darauf hinzuweisen, dass der überwiegende Anteil der bisherigen nicht rechtskräftigen Entscheidungen die Klagen der Verbraucher aus guten Gründen abgewiesen hat, entweder weil bereits ein Mangel verneint wurde oder aber weil es schlichtweg zumutbar ist, die Nachbesserungsmaßnahme, die mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmt ist, zu akzeptieren.

Aus der Erfahrung der Prozessführung für Kfz-Betriebe wissen wir, wie unangenehm und belastend diese Verfahren für Händler sind. Dies gilt umso mehr, als in den Verfahren immer auch eine Rückkoppelung mit dem Hersteller erfolgen muss, der wiederum selbst eine Großkanzlei eingeschaltet hat, um die vielen tausend Verfahren koordinieren zu können.

Diese Situation ist schwierig, aber festzuhalten ist auch, dass der Kfz-Handel in Deutschland diese Situation nicht verursacht und ein großes Interesse daran hat, dass in absehbarer Zeit die Verfahren abgeschlossen sind und dem Kunden wieder verdeutlicht werden kann, dass er mit dem Kauf eines Verbrennungsmotors nicht nur keinen Fehler macht, sondern ein hoch effizientes Fahrzeug erwirbt.  

Elmar Fuchs

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