Prüfingenieure mit Kameras sind keine Kfz-Sachverständige für Kraftfahrzeugschäden und Fahrzeugbewertung - Digitalisierung kennt auch Grenzen

In der Vergangenheit wurde bereits des Öfteren über Systeme berichtet, die vorgeben, dass durch Nutzung eines Kamerasystems, das durch den Meister in der Werkstatt bedient wird, Schadengutachten erstellt werden können.

Werden diese Gutachten dann in voller Höhe honorartechnisch berechnet, nur um dem Reparaturbetrieb, der die Kamera bedient hat, ein möglichst hohes Entgelt zahlen zu können, ist der Vergleich mit unlauteren Schmiergeldern nicht weit.

Bedauerlicherweise gibt es zu dieser Frage wenig verwertbare Gerichtsentscheidungen, doch hat immerhin das LG Gießen (Urteil vom 23.07.2013, AZ: 8 O 47/12) festgehalten, dass der Verbraucher darüber aufzuklären ist, falls wesentliche Teile des Gutachtens nicht durch den Sachverständigen, sondern durch die Werkstatt erbracht werden.

Die meisten Kfz-Betriebe haben sehr schnell verstanden, dass diese Art der Gutachtenerstellung nur scheinbar Vorteile verspricht, die Beauftragung eines qualifizierten unabhängigen Sachverständigen vor Ort aber im Zweifel der bessere Weg ist.

Umso überraschter musste man in diesen Tagen zur Kenntnis nehmen, dass offenbar eine Überwachungsorganisation offensichtlich mit dem Gedanken spielt, ihre Prüfingenieure mit Kamerasystemen auszustatten, um die Prüfingenieure ähnlich wie den Kfz-Meister der Werkstatt einzusetzen, um die Grundlagen dafür zu schaffen, dass an anderer Stelle ein Schadengutachten erstellt wird.

Mitarbeiter einer deutschlandweit tätigen Überwachungsorganisation, die weder in Stuttgart, München, Köln oder Losheim ihren Sitz hat, haben um dringende und schnelle Hilfe gebeten, um die Pläne ihres Vorstandes noch verhindern zu können. Eine Kooperation sei mit dem System Live-Expert geplant und man suche derzeit offensichtlich Versicherer, die bereit sind, das Unternehmen mit der Erstellung von Schadengutachten mithilfe des Systems Live-Expert zu beauftragen.

Aus den vertraulich überlassenen Unterlagen ist bekannt, welche Versicherungen angesprochen wurden.

Ganz offensichtlich will man den frontalen Angriff gegen qualifizierte Schadengutachten der SSH oder der DEKRA, die sich im Wesentlichen dadurch auszeichnen, dass die Fahrzeuge höchstpersönlich in Augenschein genommen werden und das Gutachten abschließend durch einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen erstellt wird. Auch Auftraggeber aus anderen Bereichen wolle man von diesem System überzeugen.

Sollten Auftraggeber – ganz gleich aus welchen Bereichen – ernsthaft mit dem Gedanken spielen, ein derartiges System zu unterstützen, wird mit ganz massivem Widerstand aus vielen Bereichen und nicht zuletzt der Mitarbeiter dieser hier namentlich bekannten Organisation zu rechnen sein.

Gerade vor dem Hintergrund der hochkomplexen technischen Ausstattungen der Fahrzeuge ist die Vorstellung, dass künftig Gutachten mithilfe eines Kamerasystems sach- und fachgerecht bewertet werden, ein Angriff auf die Verkehrssicherheit und nicht zuletzt auch ein Beleg mangelnder Kompetenz im Umgang mit komplexer Fahrzeugtechnik.

 

 

 

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